Carla Cargo – Mehr als nur ein Fahrradanhänger
24.05.2017Markus Bergmann von Carla Cargo produziert mit seinem Team in Kenzingen Lastenanhänger für Fahrräder. Mithilfe der „Carlas“ können Waren innerstädtisch klimaschonend und ohne Lärm transportiert werden. Derzeit werden der „Trailer“ sowie der „Power-Trailer“ verkauft. Der „Power-Trailer“ unterstützt die Radler*innen zusätzlich durch einen Elektromotor.
Johanna @grünhof: Hallo Markus, stell dein Unternehmen doch mal kurz vor.
Markus: Die Idee für die Entwicklung von Lastenfahrradanhänger entstand durch die Kooperative Gartencoop. Diese Kooperative baut solidarisch finanziert Gemüse an und verteilt dieses dann unter ihren Mitglieder*innen im Raum Freiburg. Ich habe gemeinsam mit Freunden beobachtet, dass die Austeilung der Ernte mithilfe von Fahrradanhängern stattfindet. Dieser Prozess hat mich fasziniert und auf die Idee gebracht, einen Anhänger zu entwickeln, der die Lieferung von vielen schweren Kisten an Gemüse noch leichter und sicherer macht. Also habe ich mir mit Freunden zusammen ein Konzept für einen Anhänger mit Auflaufbremse und Motorisierung überlegt. Und dann ist das so ins Rollen gekommen…
Johanna @grünhof: Das heißt, ihr hattet schon mehr als nur ein grobes Konzept, als ihr ins Ökonauten Programm eingestiegen seid?
Markus: Ja genau. 2013 kam mir die Idee in den Sinn. 2014 haben wir ein Crowdfunding gestartet um den ersten Prototypen bauen zu können. Im April 2014 war der erste Prototyp dann fertig und im Februar 2015 habe ich Carla Cargo als Einzelunternehmen gegründet. Ich habe dann für ein halbes Jahr einen Existenzgründerzuschuss vom Arbeitsamt bekommen. Dann kam mein Kollege Erich aus Gießen mit dazu und gemeinsam haben wir im Juli 2015 den ersten Platz beim Ökonauten-Programm gemacht. Das Stipendium schloss sich somit direkt an den Existenzgründerzuschuss an, der zu diesem Zeitpunkt auslief. Es war alles knapp und riskant, aber hat letztendlich gepasst. Somit konnten wir weiter an unserem Produkt arbeiten und im Laufe des Jahres 2015 schon acht „Carlas“ verkaufen.
Johanna @grünhof: Ihr habt also 2014 den ersten Prototypen auf die Straßen gebracht. Wie viele „Carlas“ Rollen mittlerweile durch Dörfer und Städte?
Markus: 2015 haben wir wie gesagt acht Anhänger verkauft, die alle noch in meiner Garage produziert worden sind. Im darauffolgenden Jahr waren es 30 Anhänger, die dann schon in einer kleinen Montagehalle in Zähringen produziert worden sind. Unser ursprüngliches Ziel für 2016 waren zwar 50 Anhänger, aber das haben wir nicht ganz geschafft. Für 2017 ist es unser Ziel, die Zahl der Verkäufe zu verdoppeln, also mindestens 60 Anhänger zu verkaufen. Wir sind auch sehr zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen. Im Januar dieses Jahres sind wir in eine Montagehalle in Kenzingen gezogen. Dort haben wir insgesamt 800 Quadratmeter Platz und auch ein Büro, was sehr wichtig für die weitere Entwicklung und unser Team ist.
Johanna @grünhof: Kenzingen, schön. Viele Gründer*innen gehen ja nach Berlin, Hamburg, München. Was hat dich dazu bewogen, dein Startup hier im Raum Freiburg aufzuziehen?
Markus: Das hat einen persönlichen Hintergrund. Ich habe meine Diplomarbeit in Freiburg geschrieben und meine Familie hier gegründet. Somit stand nicht wirklich eine andere Stadt zur Option. Ich war zuvor in Freiburg in der Solarbranche tätig und habe meinen Job aufgrund der enormen Rückbauten in dem Bereich verloren. Somit stand ich vor der Wahl, wieder als Arbeitnehmer einen Job zu suchen oder die Selbstständigen auszuprobieren. Als Ingenieur nur einen Teilzeitjob zu bekommen, um nebenher noch etwas aufzubauen, ist sehr schwierig. Ich habe mich dann also dafür entschieden, die Startup Idee umzusetzen, da ich dazu beitragen möchte, innerstädtischen Verkehr neu zu gestalten.
Johanna @grünhof: Das klingt nach viel intrinsischer Motivation und Begeisterung für das Projekt!
Markus: Ja definitiv. Ich arbeite sehr gerne an dieser nachhaltigen Idee. Die Anhänger haben eine Zukunft, was ich auch immer wieder durch das Feedback unserer Referenzkunden erfahre. Es rufen Leute an und erzählen, dass sie nun ein Auto weniger benötigen. Das ist einfach schön. Wir haben die Gewinnschwelle, also den Break-even point (Erlös und Kosten der Produktion sind an diesem Punkt gleich hoch) noch nicht überwunden, sind aber aufgrund des positiven Feedbacks sehr zuversichtlich, dass uns das bald gelingen wird. Ich habe das Unternehmen nicht gegründet, weil ich maximalen Gewinn rausschlagen möchte, sondern weil ich mehr bewegen will. Ich möchte eine wirklich klimafreundliche Transportmöglichkeit im Innenstadtbereich abbilden. Das ist die Mission. Dennoch macht das kapitalistische System natürlich mittlerweile ganz schön viel Druck, wirtschaftlich zu werden.
Johanna @grünhof: Inwiefern hat euch das Ökonauten-Programm darin geholfen, dem Druck standzuhalten? Von welchen Programminhalten profitiert ihr heute noch?
Markus: Wir haben während des Ökonauten Programms unsere Mission klar definiert und Ideale festgesetzt. Davon profitieren wir heute noch enorm. Da ich als Ingenieur wenig Ahnung von BWL habe, haben uns vor allem die Trainingsmodule zu Finanzierung viel geholfen. Außerdem haben wir durch die Trainingsmodule begriffen, dass es superwichtig ist, alle Kanäle aktiv zu nutzen um Aufmerksamkeit für sein Projekt zu erzeugen. Man muss sich seinen Namen aktiv erarbeiten, was heute durch die sozialen Medien erleichtert wird. Mit vergleichsweise wenig Investitionen kann man durch die richtige Nutzung viel voranbringen. Super am Ökonauten-Programm war auch die Organisation der Module in mehreren Blöcken. Somit war es nie zu viel Input auf einmal und alle hatten genug Zeit, nebenher das Unternehmen zum Laufen zu bringen.
Johanna @grünhof: Besteht noch Kontakt zu damaligen Mentor*innen?
Markus: Unser damaliger Mentor, Ulrich Prediger von Leaserad, hat uns sehr unterstützt. Wir begegnen uns immer wieder und tauschen uns aus. Dieser Kontakt ist sehr wertvoll für uns.
Johanna @grünhof: Wie viele Menschen arbeiten heute für euch? Sind noch alle vom Programmstart dabei?
Markus: Wir sind im Moment mehr oder weniger zu siebt. Erich und Simon, die wir mit der Finanzierungshilfe durch den Badenova Innovationsfond bezahlen können. Dirk hilft vor allem beim Brainstorming und der Konstruktion. Und Dominik, ein Zweiradmechaniker, den wir auf Rechnung bezahlen. Außerdem helfen uns gerade Aike, unser Praktikant und Bashar, der neben der Sprachschule auf Minijob-Basis in unserer Montage beim zusammen schrauben hilft. Während dem Ökonauten Programm waren Erich und Simon auch schon mit dabei. Zudem noch Mara, die uns viel beim Aufbau des Vertriebs unterstützt hat, aber mittlerweile einen anderen Weg gewählt hat. Meine Familie steht hinter mir und unterstützt mich total. Die trägt das ganze quasi auch mit, weshalb ich meine Familie auch als Mitarbeiter*innen bezeichnen würde.
Johanna @grünhof: Wie hat sich der Markt, auf dem ihr euch bewegt, mittlerweile entwickelt? Seid ihr alleinstehende Vordenker oder umgeben von Konkurrenz?
Markus: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass wir das Unternehmen zu einem sehr guten Zeitpunkt gegründet haben. Das Thema Lastenfahrradanhänger nimmt seitdem stetig an Präsenz zu. Derzeit vergibt das Land Baden-Württemberg Fördergelder an Unternehmen, welche Lastenräder einsetzen. Dies halte ich für ein sehr wertvolles politisches Signal. Wir haben im Moment keine direkten Mitbewerber, die das absolut gleiche Produkt herstellen. Es gibt allerdings Hersteller ähnlicher Produkte, zum Beispiel in München und Hamburg. Außerdem gibt es Nachbauten unseres Lastenfahrradanhängers, da wir unser Material zur Produktion als Open Source Hardware bereitgestellt haben. Das heißt, die ausführliche Bauanleitung ist öffentlich zugänglich (hier geht’s zur Bauanleitung). Wir freuen uns über die circa 20 Nachbauten, die weltweit entstanden sind. Sie helfen, Verkehr klimaschonender zu gestalten und zudem, den Markt zu bereiten. Das heißt, das ist auch ein Stück weit Marketing für uns.
Johanna @grünhof: Was unterscheidet euch von der Konkurrenz?
Markus: Unsere Anhänger sind aufgrund der drei Räder (zwei hinten, eins vorne) bemerkenswert stabil. Das Zuggestänge ist so konstruiert, dass darauf kein Druck entsteht. Es gibt außerdem eine mechanische Auflaufbremse und die Elektromotorisierung macht das Ganze dann richtig interessant. Unser Produkt soll einen professionellen Markt mit hochwertigem Material bedienen.
Johanna @grünhof: Wo geht die Reise hin? Wo siehst du euch in einem Jahr?
Markus: Unser Ziel ist es, erstmal unsere Mitarbeiter zu halten und nach und nach mehr Menschen einzustellen. Wir wollen unsere Produktpalette erweitern. Wir haben die Idee, ein eigenes Lastenfahrrad auf den Markt zu bringen. Außerdem wollen wir in Zukunft konkreter auf individuelle Kundenwünsche eingehen können.
Johanna @grünhof: Und wo siehst du euch in zehn Jahren?
Markus: Ich wünsche mir, dass wir in 10 Jahren immer noch alle mit Spaß an der Sache dabei sind. Wir wollen nicht über das Ziel hinausschießen, sondern lebensfroh und gesund bleiben trotz vielleicht wachsender Auftragszahl. Auch wäre es toll, wenn wir es schaffen, alle Beschäftigten mit nicht mehr als 30 h pro Woche anzustellen. Wir wollen unsere Zukunftsvorstellungen ja auch aktiv leben. Weniger kann eben auch manchmal mehr bedeuten. Bei unserer klimafreundlichen Transportlösung heißt dies zum Beispiel, dass Fahrer*innen mehr an der frischen Luft sind, sich fitter halten, kaum Lärm produzieren und einfach insgesamt vielleicht mit noch mehr Freude an der Arbeit sind.
Johanna @grünhof: Das klingt nach einer schönen Vision. Wenn du nun so auf eure Geschichte zurückblickt, was würdest du Menschen mit Startup-Ideen empfehlen?
Markus: Die Förderbedingungen während bzw. kurz nach dem Studium sind grundsätzlich potenziell super, um ein Startup aufzubauen. Auf der anderen Seite hilft Lebenserfahrung ebenfalls enorm bei der Umsetzung. Von daher würde ich sagen, dass es am wichtigsten ist, an seine Idee zu glauben. Mein persönlicher Tipp wäre noch, nicht unbedingt zum gleichen Zeitpunkt Kinder zu bekommen und ein Unternehmen zu gründen. Aber wenn man will, dann ist alles möglich. Und zu guter Letzt möchte ich noch allen potenziellen Gründer*innen mit auf den Weg geben, dass der Unternehmensaufbau nicht nur frusten, sondern vor allem Spaß machen soll, sonst hält man es nicht durch und es hat sich überhaupt nicht gelohnt überhaupt damit anzufangen.
Johanna @grünhof: Danke für diese schönen Schlussworte. Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg! ...nächste Woche könnt ihr in unserem Blog mehr über nachhaltige Früchtetrockner des Startups Sonnenobst lesen...